Der Wolf von Pompeji
„Das Tier ist in der Straße da hinten!“ Marcus drängelte sich an seinen Leuten vorbei, damit er als erster am Dienstboteneingang ankam. Er rannte wie der Teufel dorthin, und am Ende der Gasse wartete die Hündin auf ihn und beobachtete ihn. In ihrem Maul hielt sie das Baby. In diesem Augenblick war sie ganz und gar wie eine wilde Wölfin.
„Um Himmels Willen! Gib mir meine Tochter zurück!“ schrie Marcus. Die Wölfin bewegte sich nicht.
Als seine Frau ankam und das Tier anblickte, stieß sie einen lauten Schrei aus.
„ Zu Hilfe! Sie will sie verschlingen!“, klagte sie.
Marcus war entschlossen, sein Kind zu retten und rannte dem fliehenden Tier hinterher. Hélène verfolgte sie von Weitem.
Zwischen ihnen liefen viele Diener mit Heugabeln und Schwertern und wollten den Wolf fangen.
Marcus hörte die Schreie seiner Tochter, aber immer wieder verlor er die Fährte der Wölfin in den kleinen Gassen. Mehrfach blieb sie stehen und beobachtete ihn – ihn, seine Frau und die Leute, die sie verfolgten.
Bei Jupiter, gib uns dieses Kind zurück!
In dem Moment, als er glaubte, sie zu erreichen, lief die Wölfin wieder schneller, und der Abstand zwischen ihr und Marcus wurde größer. Die Wölfin lief nicht auf großen Straßen, und es schien, als wenn sie ihre Beute so schnell nicht loslassen wollte.
„Wohin bringt dieses Monster unsere Tochter bloß?“ weinte Hélène.
„Ich weiß es nicht, aber wir werden es nicht zulassen.“, antwortete Marcus.
Der merkwürdige Zug setze sich in Richtung Osten der Stadt fort. Die Verfolgung dauerte so lange, dass es schon weit nach Mittag war. Marcus und seine Diener waren erschöpft und außer Atem, aber sie verfolgten das Tier ohne Unterlass. In dem Moment, wo es die Stadtgrenze überschritten hatte und sich in Richtung Hügel bewegte, wurde Marcus noch unruhiger. Die Wölfin würde ihre unglückliche Beute sicherlich in den Wald verschleppen, um sie dort in Ruhe zu verzehren. „Solange dieses Monster noch läuft, kann es unsere Kleine nicht verschlingen“, erklärte Marcus seinen Gefolgsleuten.
„Solange wir auf seinen Fersen bleiben, hat das Baby nichts zu befürchten.“ Dann waren sie am Wald angelangt, die Stadt hatten sie weit hinter sich gelassen. Die Hündin schien fast ebenso erschöpft zu sein wie Marcus und seine Leute. Als alle oben auf der Spitze des Hügels ankamen, schien die Sonne zu blitzen, aber Marcus war so mit der Verfolgung der Wölfin beschäftigt, dass er nicht darauf achtete. Als er den Hügel auf der anderen Seite hinab rannte, schien ein weiterer Blitz aufzuleuchten und danach ertönte ein Donner, was ein Zeichen göttlicher Wut zu sein schien. Als er sich zur Stadt umschaute, ließ das, was er sah, das Blut in seinen Adern erstarren. Der Vulkan war ausgebrochen! In einer endzeitlichen Explosion spuckte der Vesuv Feuer und riesengroße Feuerbälle überzogen Pompeji. Der Himmel wurde so dunkel wie niemals zuvor und ein unglücksverheißender Ascheregen fing an, die Stadt Pompeji zu bedecken. -- Bei allen Göttern! rief Marcus. Es scheint, dass der Vulkan unsere Stadt angreift.
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