Kein Regen in der Wüste

Bild: Comfreak/Pixabay

Ein Gespräch zwischen Vater und Tochter über die Wetterverhältnisse in der Wüste. Am Ende nimmt das Ganze jedoch eine unerwartete Wendung. (von Alfred Krüger) [mehr…]

"So ein blödes Wetter!", beschwert sich meine Tochter Anne und macht ein Gesicht, das mühelos jedem Vergleich mit dem düsteren Regenhimmel draußen standhält.
"Ohne Regen gibt es keine Blumen und keine Bäume", brummele ich hinter meiner Zeitung. "Dann hätten wir hier überall nur Wüste."
"Aber ich könnte zum Spielen nach draußen!"
"In der Wüste ist es viel zu heiß zum Spielen!"
"Aber nicht im Schatten!", widerspricht Anne. Dann legt sie den Kopf schief und fragt: "Hast du schon mal in 'ner Wüste gespielt?"
"Nein, mein Schatz, noch nie!"
"Dann kannst du auch nicht wissen, wie das ist!"
"Ich kann's mir aber vorstellen", antworte ich, blättere die Zeitung um und halte die Debatte für beendet. Anne guckt derweil aus dem Fenster und zählt die vorbeifahrenden Autos.

"Du, Papa", beginnt sie nach einer Weile von neuem, "Oma hat sagt, wenn die Engel oben im Himmel weinen, dann regnet es bei uns auf der Erde. Sag mal, Papa, stimmt das?"
"Nein", brumme ich. "Der Regen kommt aus den Wolken."
Anne kräuselt die Stirn und blickt zum dunklen Regenhimmel hinauf. "Wie die Tropfen da wohl hochkommen?", sinniert sie spöttisch vor sich hin.
"Aus dem Meer! Durch die Sonne!", knurre ich. "Das lernt ihr alles in der Schule! Dritte, vierte Klasse!"

Es ist passiert! Das Stichwort "Schule" ist gefallen, und mein zweites Ich blüht auf: der Lehrer, engagiert bis in die Zehenspitzen und stets und überall bereit, Dummheit und Ignoranz von dieser Welt zu tilgen - wenn's sein muss, auch am Sonntagnachmittag und in der eigenen Familie! Mit einem Seufzer legt der genervte Vater die Zeitung zusammen, und der tatendurstige Lehrer in mir marschiert mit Anne in die Küche.

"Das ist das Meer", erkläre ich mein physikalisches Experiment und stelle einen Topf mit Wasser auf den Herd.
"Wo ist die Sonne?" Ich deute auf die heiße Herdplatte. "Die Sonne scheint von unten?", wundert sich Anne.
"Nein, nein!", bügele ich diesen Schwachpunkt in meinem Versuchsaufbau rasch aus. "Die Sonne scheint von oben aufs Meer. Das Wasser erwärmt sich. Wasserdampf steigt auf. Oben kühlt er ab, und es bilden sich Tröpfchen." Ich halte einen Deckel über den dampfenden Kochtopf. Der Deckel beschlägt. "Das ist die Wolke. Da hängen jetzt die Wassertropfen dran. Und nun kommt der Wind..." Ich puste aus Leibeskräften und lasse den Deckel zum Kühlschrank gleiten. "Der Wind bläst die Wolke aufs Land. Wenn sie bei uns ankommt, regnet sie sich ab." Ich schüttele den Deckel, so dass Wassertropfen auf den Kühlschrank fallen. Anne ist beeindruckt.

"Und in der Wüste schütteln sich die Wolken nie?"
"Selten", schränke ich ein. "Dort ist Wasser kostbarer als Gold. Jeden Morgen duschen und solchen Luxus kann sich in der Wüste keiner leisten!"
Anne kräuselt schon wieder die Stirn. "Du, Papa, was ist das eigentlich, Luxus?"
Der erfahrene Pädagoge in mir bedenkt Annes kindlichen Wissenshorizont und antwortet: "Luxus ist, wenn man zwei Autos hat, obwohl eines schon genug ist! Oder wenn..."
"Oder wenn man sich zwei Fahrräder käuft?"
"Kauft", muss ich natürlich verbessern und nicke.

"Luxus ist also", murmelt Anne - jetzt ist sie ganz der Vater: "Wenn man von einer Sache zwei hat, obwohl man nur eine einzige braucht?"
Der Vater in mir ist stolz, und mein Pädagogenherz schlägt Purzelbäume: "Sie hat es verstanden!"
Doch Anne überlegt noch. "Du, Papa", sagt sie schließlich und denkt an ihren kleinen Bruder, "dann ist Martin aber auch ein Luxus, oder?"

Weitere Texte zum Schmunzeln von Alfred Krüger gibt es unter Lizenz zum Schmunzeln.

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