Keine Schildkröten in Bethlehem

Keine Schildkröten in Bethlehem, Bild: swk/kindergaudi.de

Engagement für einen guten Zweck und was dabei herauskommen kann. Eine amüsante Erzählung von Alfred Krüger! [mehr…]

Der Brief, der aus der Schule meiner Kinder kam, klang wie ein Ultimatum.
"Weihnachtszeit ist Bastelzeit!", wurde da behauptet und ein Weihnachtsbasar angekündigt, dessen Erlös für einen guten Zweck bestimmt sei. Damit auch recht viel Geld zusammenkomme, würde sich die Schule freuen, wenn die Eltern ihren Teil zum Angebot des Basars beisteuern könnten: "Es wäre schön, wenn auch Sie in der besinnlichen Vorweihnachtszeit etwas für unseren Basar basteln könnten."

Sofort fiel mir jener Brieföffner aus Nussbaumholz ein, den ich vorzeiten in der Schule schnitzen musste. Ich möchte nicht verraten, welche Note ich dafür bekam, doch als ich meinen Eltern den Brieföffner damals zu Weihnachten schenkte, bedankten sie sich tausendmal für diesen schönen... "Kochlöffel?", fragte meine Mutter vorsichtig nach. "Briefbeschwerer?", kam mein Vater der angepeilten Funktion meines Geschenks zumindest ansatzweise nahe.

Damals war ich sehr gekränkt. Doch heute weiß ich, als Brieföffner war mein Geschenk zu stumpf, als Kochlöffel zu kurz und als Briefbeschwerer viel zu leicht. Mit zwei linken Händen lässt sich eben schwerlich basteln. Den Brief der Schule hätte ich deshalb am liebsten ignoriert, doch meine Frau war anderer Meinung.
"Michaels Vater zimmert eine Weihnachtskrippe!", ließ sie mich wissen. "Und Sabines Vater bastelt eine Puppenstube! Alle Väter basteln was", sagte sie und blickte mich herausfordernd an.
"Es ist ja auch für einen guten Zweck!"

Der gute Zweck heilige nicht jedes Mittel, wollte ich erwidern und bezweifeln, ob meine Bastelarbeiten überhaupt verkäuflich und dem guten Zweck somit auch dienlich seien.
"Wer bastelt, ist ein Vorbild für die Kinder!", kam mir meine Frau zuvor. "Er zeigt ihnen, dass er sich um ihre Schule kümmert. Das ist sehr wichtig!", fuhr sie wie ein Oberlehrer fort. "Deshalb sollten auch wir etwas basteln!"

Sie sagte "wir" und meinte mich! Ich dachte an den Brieföffner aus meiner Schulzeit, seufzte leise auf und gab nach. Denn: "Wer nicht bastelt, ist ein bequemer Rabenvater!" So lautete der Umkehrschluss aus dem, was meine Gattin mir gerade vorgetragen hatte.

"Also gut", sagte ich, "was soll ich basteln?"
"Michaels Vater zimmert eine Weihnachtskrippe", wiederholte meine Frau, und mir war klar, wenn Michaels Vater eine aufwendige Krippe bastelte, konnte ich schlecht mit simplen Strohsternen aufwarten. Es musste etwas Ebenbürtiges sein.

"Wie wär's mit ein paar Tieren?", fragte meine Frau. "Im Stall von Bethlehem gab's Esel, Ochs' und Schafe..."

In den nächsten Wochen schnitzte ich nun jeden Abend Esel, Ochs' und Schafe für den guten Zweck. Drei Tage vor dem Basar hatte ich etliche Tiere fertig, die ich meiner Gattin nicht ohne Stolz zur Begutachtung vorlegte.

Meine Frau ist eine gute Pädagogin. "Du hast dir große Mühe gegeben!", rezensierte sie nach einer Schrecksekunde reichlich ratlos meine Schnitzereien.

Wäre meine Gattin etwas direkter und ich etwas selbstkritischer gewesen, hätte ich die Tiere gewiss noch einmal überarbeitet. Doch damals hielt ich sie für gut gelungen. Zwar unterschieden sich Esel, Ochs' und Schafe hauptsächlich in der Größe voneinander. Aber was zählte die äußere Erscheinung! Meine Kreativität steckte in diesen Tieren, mein väterliches Engagement für die Schule meiner Kinder! Und so gab ich meinen Kindern am nächsten Morgen arglos Esel, Ochs' und Schafe wohlverpackt mit in die Schule.

Der Tag, an dem meine Arbeiten verkauft werden sollten, verschob sich um vier Monate. Auf dem Weihnachtsbasar entdeckte ich nur die wacklige Krippe, die Michaels Vater gezimmert hatte, Esel, Ochs' und Schafe suchte ich vergebens. Ich fand sie erst im Frühling wieder. Beim Osterbasar, wo sie irgendein Banause als Schildkröten verkaufen wollte...

Weitere Schmunzeltexte von Alfred Krüger findet Ihr hier...

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